Die erste Woche des generischen Femininum ist ein Jahr her und manchmal könnte mensch denken, es hat sich etwas verändert.
Ein Spiegelartikel vom 04.06.2013, der eine Sprachreform der Universität Leipzig beschreibt, die die Einführung des generischen Femininums umfasst, war doch vor einem Jahr eher noch undenkbar.
„Das ist ein Novum in Deutschland: Nach 600 Jahren Männerdominanz schwenkt die Uni Leipzig radikal um und setzt nur noch auf weibliche Bezeichnungen: Der Titel „Professorin“ gilt künftig auch für Männer. „Jetzt läuft das mal andersrum“, freut sich eine Befürworterin im Hochschulmagazin „duz“.
Wie es dazu kam? Bestimmt ein Komplott von Quotenfrauen in irgendeinem Hochschulgremium. Oder die zickige Gleichstellungsbeauftragte hat sich mit Erpressung oder was auch immer durchgesetzt. Oder nicht? Der Spiegel weiß es besser:
„Dass es in Leipzig überhaupt so weit kam, war aber wohl eher Zufall, weniger Folge eines strategischen Plans der 20 Frauen im erweiterten Senat. Bei der Diskussion um die Novelle der Grundordnung störten sich einige der 77 Senatsmitglieder an der Schrägstrich-Variante. Diese hemme die Lesbarkeit, warfen vor allem die Juristen ein.
Weil er die zeitraubende Diskussion im Gremium leid war, machte der Physikprofessor Dr. Josef Käs den Vorschlag, ausschließlich die weibliche Form einzusetzen. „Das war eine spontane Entscheidung ohne politische Ziele“, sagt er. Zur Überraschung des Gleichstellungsbeauftragten der Uni Leipzig, Georg Teichert, stimmte das Gremium für das sogenannte generische Femininum.“
Also wie jetzt, ein männlicher Physikprofessor hat das vorgeschlagen? Und ein männlicher Gleichstellungsbeauftragter war überrascht davon? Wenn das mal nicht das eine oder andere Vorurteil ankratzt… Jedenfalls ist es erfreulich, dass die Argumente immerhin die gleichen sind, wie die, mit denen der generische Maskulinum meistens verteidigt wird: bessere Lesbarkeit, das andere Geschlecht ist halt einfach mit gemeint.
Die Erkenntnis für uns: Veränderung ist möglich :-). Das ist toll und wir freuen uns auf mehr!
„Also wie jetzt, ein männlicher Physikprofessor hat das vorgeschlagen? Und ein männlicher Gleichstellungsbeauftragter war überrascht davon? Wenn das mal nicht das eine oder andere Vorurteil ankratzt…“
Ja, Vorteile … auch in diesem Blogbetrag 😉
„überrascht davon“ bezog sich laut Text oben nicht auf männlichen Physikprofessor
Man könnte der Entscheidung der Universität Leipzig auch die Überschrift geben: „Universität Leipzig kehrt gendergerechter Sprache den Rücken“.
Es mag zunächst ungewohnt sein und ungewöhnlich anmuten, im Grunde aber ist dies eine Abkehr von der feministischen Linguistik (ganz zu schweigen von queerer Linguistik) und ihrer grundlegenden These von der Einheit von grammatikalischem und natürlichem Geschlecht (= Sexus äußert sich im Genus) und der daraus abgeleiteten Forderung nach einer Beidnennung der Geschlechter bzw. der sprachlichen Sichtbarmachung der Vielfalt sexueller Identitäten.
Vordergründig erscheint dieser Schritt der Univ. Leipzig als wichtiger Meilenstein in Richtung sprachlicher Sichtbarkeit und Anerkennung von Frauen in einer sprachlich und visuell von Männern dominierten Welt.
Aus linguistischer – also theoretischer – Perspektive bedeutet das jedoch eine Bestätigung der Kritik an der v. a. feministischen Sprachtheorie, weil die Univ. Leipzig mit dieser Entscheidung sagt:
a) Es gibt keine zwingende Verbindung zwischen natürlichem und grammatikalischem Geschlecht, denn
1) wir benennen eine gemischt-geschlechtliche Gruppe mit einem einzigen grammatikalischen Geschlecht,
2) wir bennennen individuelle Menschen unterschiedlicher sexueller Identitäten mit einem einzigen einheitlichen grammatikalischen Geschlecht,
3) wir entscheiden über diese Benennung selbständig und unabhängig von linguistischen Theorien und postulierter Gewohnheiten.
b) Wir geben die sprachliche Sichtbarmachung von sexuellen Identitäten in gesprochener und geschriebener Sprache vor allem aus praktischen Gründen auf und verzichten damit auf „Binnen-I“, „Gender-Gap“ (_innen) und „Gender-Asterisk (*innen) und auch auf die Beidnennung der Geschlechter.
Beide Gründe – a und b – sind ja bekanntermaßen „Dauerbrenner“ der Kritik an feministischer Linguistik.
Wenn gendergerechte Sprache also damit quasi „offiziell“ als alltagsuntauglich bewertet wird und zugleich implizit gesagt wird, daß es eigentlich wurscht ist, ob wir „Herr Professorin“ und „Frau Professorin“ bzw. „die Professorinnen“ für alle Geschlechter sagen, ist es im logischen Umkehrschluß auch wurscht, daß wir „Herr Ministerpräsident“ und „Frau Minidsterpräsident“ bzw. „die Minsterpräsidenten“ für alle Geschlechter sagen. Man entscheidet sich persönlich für die ein oder andere gleichberechtigte Variante.
Das nennt man dann wohl ein Danaergeschenk für Feminismus, feministische Sprachkritik und gendergerechter Sprache. Denn schon die Univ. Leipzig selbst hat den zu erwartenden realen Effekt auf die Gleichstellung der sexuellen Identiäten eher gering eingeschätzt. Und meiner Einschätzung nach verpufft er im Alltag völlig, was wiederum die These von „Sprache schafft Wirklichkeit“ erneut in Frage stellt.
Ich fand da ja die Argumente der Befürworter äußerst, sagen wir sarkastisch.
„Der erweiterte Senat hat den Beschluss gefasst, um die zahlreichen Frauen an der Universität Leipzig in der Grundordnung sichtbarer werden zu lassen.“
Und das man sich wünsche dass dadurch mehr Wert auf Frauenförderung gelegt wird.
Momentan haben sie aber schon 60% Frauen in der Studierendenschaft. Sollte man da nicht vlt, ich weiß nicht, eher die Männer fördern? So wie man die Frauen ja auch gefördert hat als sie nur 40% der Studierendenschaft ausmachten? Also von mir aus das generische Femininum/Maskulinum jeweils für die Gruppe die gerade den GHroßteil der Studierenden ausmacht, die andere Gruppe wird dafür gefördert damit man irgendwann bei 50:50 raus kommt. Ist doch ein fairer Vorschlag, oder?
[…] schaffen, dass die Bemühungen um Sprachvernunft vielleicht eine Lösung liefern könnten. Denn die Vorschrift ein generisches femininum zu benutzen, macht ja die Welt nicht vernünftiger, sondern erwirkt nur dringlicher den Tatverdacht […]
@Joachim
Du hälst es für eine Abkehr von gendergerechter Sprache, ich halte es für den Lackmustest der selbsternannten „Post-Gender“, die sich für das generische Maskulinum einsetzen, mit Argumenten wie sprachlicher Effizienz.
Oder, um es polemischer zu sagen:
Das generische Femininum und der #Aufschrei der Entpimmelten (siehe Website – Vorsicht, bissig ;))
[…] mit der geschlechtersensitiven Sprache umgegangen wird.“ Ganz neu ist die Diskussion zum generischen Femininum ja auch nicht. Bereits im November letzten Jahres gab es eine Aktionswoche zu diesem Thema. Von den […]